Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts lebten erstmals in der Geschichte mehr als 50 Prozent der Menschen in Städten. Ein Trend, der sich fortsetzt. Gemäß einer Schätzung der Vereinten Nationen leben bis 2050 fast 70 Prozent der Weltbevölkerung in Städten. Das birgt enorme Herausforderungen – sowohl für die westlichen Städte mit ihrer weitgehend abgeschlossenen Urbanisierung als auch für die Citys der Schwellen- und Drittländerstaaten, die förmlich explodieren. Erstere müssen einerseits mit der vorhandenen Fläche haushalten und andererseits mit Schrumpfungsprozessen umgehen. Für Letztere geht es eher um die Etablierung angemessener Sozialstandards und die Bewältigung einer ökologischen Mammutaufgabe. Beide können die Städte von morgen darstellen. Wie, lesen Sie im Folgenden.
Beispiel Daressalam – wenn Städte im Zeitraffer wachsen
Schon heute liegen 30 der 34 weltweiten Megastädte mit mehr als zehn Millionen Einwohnern in Asien (21), Lateinamerika (6) und Afrika (3).1 Daressalam, Tansanias wirtschaftliches Zentrum, ist mit seinen rund 5,4 Millionen Einwohnern2 und der weltweit schnellsten Wachstumsrate auf dem besten Weg dahin. Mit der Stadt wächst die Zahl der Slumbewohner. Doch im Interesse der politischen, sozialen und ökonomischen Stabilität muss auch hier Lebensqualität das übergreifende Ziel sein. Und damit nicht genug. Die Zukunft unseres Planeten hängt angesichts der zunehmenden Urbanisierung auch in hohem Maß von der Öko-Kompetenz der Mega- und Millionenstädte ab.
Städte des Westens – hier Schrumpfung, dort Zuwanderung
Große Gebiete im Osten Deutschlands haben hingegen mit einer schrumpfenden Bevölkerung zu kämpfen. Neben dem demografischen Wandel ist die veränderte Arbeits- und Wirtschaftsstruktur eine der Hauptursachen. Letzteres kann man insbesondere in altindustriellen Regionen, dem industrialisierten ländlichen Raum der ehemaligen DDR und in peripheren Lagen beobachten. Andererseits zeigt sich bereits jetzt, dass der Umbau alter Strukturen zur “perforierten”, “transformierten” oder “nachhaltigen, kompakten Stadt” den Trend zur Schrumpfung aufhalten, wenn nicht sogar das Gegenteil bewirken kann.3
Deutschlands Top-7-Städte mit den umliegenden Ballungsräumen müssen wiederum Antworten auf die zunehmende “Yuppisierung” finden – die Verdrängung weniger gut situierter Bürger durch einkommensstärkere Schichten, die sich die Aufwertung des innerstädtischen Wohnraums leisten können. Die Lösung liegt im Umgang mit der “Hardware” der Städte: der vorhandenen Infrastruktur und dem Bestand. Keine Stadt hat das so perfektioniert wie die größte aller Megacitys: Tokio. Für ihren Ideenreichtum, wie man kleinste Baulücken mit Minihäusern füllt, Flachdächer aufstockt und in ungünstigsten Winkeln Wohnraum kreiert, werden japanische Architekten regelmäßig ausgezeichnet.
Smart Citys mit neuen Landschaftsformen
Neben dem architektonischen Paradigmenwechsel birgt die Digitalisierung enorme Chancen. So erlauben Daten zu Bewegungsströmen, Energieverbrauch, Infrastrukturauslastung und Nutzungsverhalten eine optimierte Steuerung von städtischen Systemen. Ebenfalls naheliegend ist die intelligente Nutzung der von Häusern produzierten, überschüssigen Energie. Auch die Abrufbarkeit von Informationen wird auf ein neues Level gehoben. Welche Dimensionen etwa Augmented Reality – eine durch digitale Elemente erweiterte Realität – erschließen könnte, hat der Science-Fiction-Film “Ghost in the Shell” in Szene gesetzt.4
Mit der Digitalisierung geht auch ein neues Verständnis von Landschaft einher. Im Interesse eines gesunden Stadtklimas wird Natur als Teil der Architektur und Stadtplanung von Anfang an mitgedacht. Die Bandbreite reicht von grünen Fassaden über Urban Farming – der innerstädtischen Produktion von Lebensmitteln – bis zur Umwidmung ehemaliger Industrieanlagen zu grünen Naherholungsräumen. So steht den enormen urbanen Herausforderungen ein riesiges Potenzial an Möglichkeiten gegenüber. Welche es außer den hier skizzierten gibt, lesen Sie im Artikel “Urbanisierung: Die Stadt von morgen”.
Foto: Алина Троева | Adobe stock
1 https://www.destatis.de/DE/Themen/Laender-Regionen/Internationales/Thema/bevoelkerung-arbeit-soziales/bevoelkerung/Stadtbevoelkerung.html#
2 https://de.wikipedia.org/wiki/Daressalam
3 https://geohilfe.de/schrumpfung-in-deutschland/
4 https://de.wikipedia.org/wiki/Ghost_in_the_Shell_(2017)
Anleger
Inbegriff des Wandels – der Zukunftsraum Stadt
27.01.2023
