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Jenseits der Kernstadt wäre viel Spielraum für urbane Ideen

14.04.2023

Rotterdam skyline

Wer Paris hört, denkt an den Eiffelturm. Mit Berlin assoziieren wir das Brandenburger Tor und den Reichstag. Und die Erwähnung von Frankfurt am Main kreiert im Kopf Deutschlands spektakulärste Skyline. Wenn Politiker vom „Zukunftsraum Stadt“ sprechen, meinen Sie in der Regel die Innenstädte. Hier wird über die Dichte und Höhe der Bebauung diskutiert, um autofreie Zonen gestritten und dem Beton eine Begrünung abgetrotzt. Doch die Kernstadt ist erstens nicht die Stadt der Mehrheit und zweitens nicht die Stadt der Zukunft. Die liegt künftig in der „Zwischenstadt“ – der Schnittmenge aus den Außenbezirken der Kernstadt und dem inneren Vorstadtring. Das behauptet zumindest Thomas Sevcik. Wie der Mann zu dieser These kommt? Lassen Sie sich in diesem Blogbeitrag überraschen.

Liebt als Visionär den Blick über den Tellerrand: Thomas Sevcik

Ob „Autostadt” in Wolfsburg, „LabCampus” am Flughafen München oder „GreenwichPeninsula” in London – sie alle tragen die planerische Handschrift des Wahlschweizers Thomas Sevcik. Der Mitbegründer des Strategie-Thinktanks arthesia hat Büros in Hongkong, Zürich und Los Angeles und berät Unternehmen, Organisationen, Städte und Regionen in Sachen Neupositionierung. Er weiß also, wovon er spricht. Zudem liebt er Fakten wie die, dass im Paris der Touristen zwei Millionen Menschen leben, während sich in den „Banlieues“, den Vororten jenseits der ringförmigen Stadtautobahn „Boulevard Périphérique“ ganze zehn Millionen tummeln. Aber so weit müssen wir den Blick gar nicht schweifen lassen. In München, Hamburg, Köln und Berlin verhält es sich ähnlich. Von daher kann Sevciks Forderung, das Augenmerk auf die „Zwischenstädte“ zu richten, so falsch nicht sein.

Das Potenzial der Zwischenstadt heben – Zürich macht es vor

„Zwischenstädte“ – also die urbanen Bereiche, die jenseits der Tarifzone 1 beginnen und vor den klassischen Schlafstädten enden – haben schon deshalb viel Potenzial, weil sie per se Standorte wichtiger Infrastrukturen wie Flughäfen oder Häfen sowie großer Büro- und Logistikzonen sind. Bislang wüssten das die Planer in deutschen Metropolen wenig zu schätzen und zu nutzen, so die Meinung Sevciks, der Zürich gern als gelungenes Gegenbeispiel ins Spiel bringt. Hier habe man frühzeitig begonnen, ehemaliges Brachland zwischen Straßenbahndepots, Rangierbahnhöfen, Flughafenzubringern und Stadtgrenzen mit intelligenten urbanen Ensembles zu erschließen, die mit einer vorbildlichen sozialen Durchmischung sowie einer durchdachten Mobilitäts- und Bildungsinfrastruktur punkten.

Auch bei diesem Thema ist die Politik gefragt

Interessierte Investoren und ideenreiche Projektentwickler gäbe es in Deutschland durchaus. Was Sevcik hingegen vermisst, sind:

  • eine flexiblere Bau- und Zonenordnung, die das Ineinandergreifen von urbaner Produktion, Wohnen und Kultur neu definiert und die vielfältige Funktionskombinationen zulässt.
  • klarere Qualitätsrichtlinien jenseits von Abstandsflächen und Baulinien – etwa mit Vorgaben zu Kulturdichte, gesundheitlichen Mehrwerten oder optischer Attraktivität. Planer, die über die nötige Erfahrung mit multifunktionalen Komplexen, Mobilitätsdrehscheiben oder sehr großen Stadtquartieren verfügen.

Das Pilotprojekt „Innovationskorridor Berlin-Lausitz“ mit seinem facettenreichen Funktionsmix ist für den Visionär so etwas wie ein Lichtblick. Auch dass sich der Vertriebs- und Logistikmanager Feng Xu mit der Idee eines „Greater Frankfurt Bund“ um das Amt des Oberbürgermeisters beworben hat, dürfte ihm gefallen haben. Seine Idee: Frankfurt schmiedet mit den Umlandgemeinden einen Pakt für einen gemeinsamen Entwicklungsplan – so wie es „Greater London“ und „Greater Paris“ bereits praktizieren. Feng Xu ist zwar nicht Oberbürgermeister geworden, aber das ändert nichts daran, dass es, wie Thomas Sevcik schreibt, „neue Ideen, neue Debatten und neue Politik“ braucht.

Den Gastbeitrag „Die Kernstadt ist nicht die Zukunft“ finden Sie hier

FOTO: JuliusKielaitis – shutterstock.com