Die Städtebauförderung des Bundes und der Länder gibt es seit dem 1. August 1971. Zu diesem Zeitpunkt hatte man die Wohnungsnot nach dem Zweiten Weltkrieg weitgehend überwunden und wollte fortan städtebauliche Gesamtkonzepte in den Vordergrund stellen. Mit dem wachsenden Umweltbewusstsein und den klimawandelbedingten Notwendigkeiten erfolgt diese Förderung zunehmend auch unter nachhaltigen Gesichtspunkten. Was das für die Architektur, die Immobilienwirtschaft, den Haus- und Städtebau und sogar die Bundesgartenschau bedeutet, soll im folgenden Blogbeitrag – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – skizziert werden.
Vom Passiv- zum Plusenergiehaus
Im vorherigen Blogbeitrag hatten wir mit der nachhaltigen Holzbauweise einen Aspekt des nachhaltigen Bauens näher betrachtet. Diesmal wollen wir das Thema umfassender angehen. Beginnen wir mit dem Thema Energieeffizienz und -einsparung, das beim Hausbau eine wesentliche Rolle spielt. Bereits ein Klassiker ist in diesem Zusammenhang das Passivhaus, das durch Nutzung regenerativer Energiequellen und konsequente Wärmedämmung auf eine klassische Gebäudeheizung verzichten kann. Premiere in Deutschland feierte es 1991. Die Langzeiterfahrungen mit dem aus vier Einheiten bestehenden Reihenhaus in Darmstadt wurden 2016 veröffentlicht und fielen durchweg positiv aus.[1] Doch sie markieren nur den Anfang einer neuen Ära hochgradig energieeffizienter Bauten. Die Zukunft gehört dem Plusenergiehaus, das unter dem Strich mehr Energie produziert als es verbraucht, im besten Fall die überschüssige Energie rückführbar speichert und so von externer zugeführter Energie unabhängig ist.
Zertifikate setzen Standards und geben Orientierung
Wie nachhaltig ein Haus, ein Quartier oder eine Stadtplanung gelungen ist, lässt sich gar nicht so einfach beantworten. Daher gewinnen Zertifikate als Orientierungshilfe zunehmend an Bedeutung. Zu den international bekanntesten gehört die 1990 in Großbritannien entwickelte „Building Research Establishment Environmental Assessment Method“, kurz BREEAM. Hierbei werden Energie- und Wasserverbrauch, Konstruktion und Materialien, Auswirkungen auf die Umwelt sowie Gesundheit und Komfort der Nutzer von Auditoren bewertet. Internationales Renommee genießt auch das 1998 in den USA entwickelte Zertifikat LEED (Leadership in Energy and Environmental Design), bei dem sechs Kriterien zum Tragen kommen: nachhaltige Landnutzung, Wassereffizienz, Energie und Atmosphäre, Materialien und Ressourcen, Aufenthaltsqualität sowie Innovation und Planungsprozess. Ob diesen beiden Zertifikaten das 2009 erstmals angewandte Zertifizierungssystem der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) den Rang ablaufen wird, bleibt abzuwarten. Sein großer Vorteil: Es ist so eng mit den Kriterien der EU-Taxonomie verzahnt, dass der Konformitätsnachweis problemlos parallel zur Zertifizierung erfolgen kann.
Auch eine Form der Nachhaltigkeit: gelungene Nachverdichtung
Da Neubauten eine schlechte „Graue-Energie-Bilanz“ haben – also viel Energie für Herstellung, Materialgewinnung, Transport und Entsorgung benötigen – und Bauen auf der „grünen Wiese“ die Zersiedelung begünstigt, setzen immer mehr Städte auf ihr Nachverdichtungspotenzial. Vorhandene Infrastruktur kann genutzt, das soziale Gefüge gestärkt, der Verkehr verringert und der Zersiedelung vorgebeugt werden. Doch Nachverdichtung verlangt nach sensibler Planung. Wird Verdichten mit Versiegeln gleichgesetzt, kann bei Starkregen kein Wasser ablaufen. Entsteht durch planlose Bebauung Hitzestau, ist die Gesundheit der Anwohner gefährdet. Schule machen könnten dagegen Dachaufbauten auf Supermärkten. Hierbei profitieren die neu geschaffenen Wohnungen unter anderem von der Abwärme und es müssen keine neuen Flächen erschlossen werden.
Die nachhaltigste Bundesgartenschau aller Zeiten
Mit diesem hohen Anspruch waren die Macher der BUGA 2023 in Mannheim angetreten. Eine reine Leistungsschau des Gartenbaus war damit ausgeschlossen. Vielmehr sollten viele stadtplanerische Aspekte berücksichtigt werden – was beispielhaft auf dem ehemaligen Militärgelände, den US-amerikanischen „Spinelli Barracks“, gelang. Die 80 Hektar Fläche wurden entsiegelt und in einen Park mit farbenprächtigen Gärten sowie einer Halle für wechselnde Ausstellungen und Erlebnisgastronomie verwandelt. Und das ist nur eine von vielen guten Ideen, die umgesetzt wurden. Eine weitere: Das Bundesgartenschau-Gelände fungiert als Baumschule für Mannheim. Die Bäume, die jetzt noch provisorisch in Baumquartieren und riesigen Pflanzkübeln dort stehen, werden nach der Schau als Stadtgrün im gesamten Stadtgebiet ausgebracht.
[1]https://passiv.de/downloads/05_passivhaus_kranichstein_25_jahre_endbericht.pdf
Foto: Michele Ursi
Allgemein
Nachhaltigkeit – für die Stadtplanung von heute ein „Must-have“
10.11.2023
