Sieht urbanes Wohnen im Umbruch: das Zukunftsinstitut
Hier der hippe Großstädter, dort der traditionsbewusste Dörfler – diese Stadt-Land-Bashing hält das Zukunftsinstitut für überholt. Gerade durch die Corona-Pandemie hat der ländliche Lebensraum viele neue Fans gewonnen. Als Folge sehen die Zukunftsforscher ein Verschwimmen der Stadt-Land-Grenze. Dieses Phänomen ist zum einen nicht neu, da die meisten Menschen ohnehin in Klein- und Mittelstädten leben. Zum anderen wird es sich durch die Verdörflichung der Stadt, in die ländliches Idyll Einzug hält, sowie die Verstädterung des Dorfs, das sich zur progressiven Provinz wandelt, noch verstärken.1
Will die Landwirtschaft in der Stadt ansiedeln: Vicente Guallart
Der aus Barcelona stammende Architekt Vicente Guallart hat die Theorie längst hinter sich gelassen und entwirft Städte, in denen alles, was Menschen brauchen – Energie, Lebensmittel, Kleidung et cetera -, auch produziert wird. Dazu passt die Grundidee seiner Häuser: mit Handwerksbetrieben im Erdgeschoss, Anbauflächen und Gewächshäusern auf dem Dach und Wohnungen in den mittleren Geschossen. Mit der Kreislaufwirtschaft Hand in Hand geht ein ausgewogenes soziales Miteinander. Demnächst wird Guallart genau das in der Zukunftsstadt Xiong’an in China umsetzen können. Den Wettbewerb, dort ein Wohnviertel zu gestalten, hat er im Jahr 2020 gewonnen.2
Setzt auf hausgemachte Energie: Esslingen am Neckar
Statt auf die Zukunft zu warten, kreiert die Stadt Esslingen mit der “neuen Weststadt Esslingen” mal eben ein Reallabor. Treiber hinter dem Projekt sind die Polarstern Erzeugung GmbH, Universitäts-Professor (em.) Dr. M. Norbert Fisch und die Stadtwerke Esslingen, die ihre Energie seit 2019 in der “Green Hydrogen Esslingen” bündeln. Mit Erfolg. Seit 2021 liefert eine Windenergieanlage den Strom für den Elektrolyseur, dessen grüner Wasserstoff Lasttransporte und Industrieanlagen klimafreundlich antreibt. Aus dem Kühlwasser des Elektrolyseurs wird der Heiz- und Warmwasserbedarf der Weststadt gedeckt.3
Baut eine Modellmetropole: Toyota
Wer Mobilität groß denkt, kann auch die Zukunft der Stadt entwerfen. Diese These will Toyota in nicht allzu ferner Zukunft mit der Modellstadt “Woven City” am Fuße des Mount Fuji in Japan belegen. Forscher aus aller Welt sind eingeladen, zusammen mit Bewohnern Technologien wie Autonomie, Robotik, persönliche Mobilität, Smart Home und künstliche Intelligenz unter realen Bedingungen zu testen. So sollen sich Menschen und Fahrzeuge auf verschiedenen Straßentypen in definierten Geschwindigkeiten bewegen. Gebäude sollen mittels japanischer Holztischlerei wie auch robotergestützt gefertigt werden. Auf dem 175 Hektar großen Gelände ist viel Raum für diese und weitere Experimente.4
Eine Stadt hinter verspiegeltem Glas: THE LINE
Wenn ein Land für seine architektonischen Experimente bekannt ist, dann Saudi-Arabien. So mag es kaum verwundern, dass dort das ambitionierteste Städtebauprojekt der Welt entsteht: THE LINE – eine Stadt, die aus einem einzigen, 170 Kilometer langen Gebäude besteht. Wie ein verspiegeltes Lineal soll es sich mitten durch die Wüste ziehen. Autos und Straßen? Fehlanzeige. In der verglasten City, die über eine eigene Biosphäre verfügt, wird alles fußläufig oder mittels eines Hochgeschwindigkeitszugs erreichbar sein. Der Mensch, seine Gesundheit und sein Wohlergehen sollen im Mittelpunkt stehen – auch dank eines eigenen autonomen Rechtssystems und niedriger Steuern.5
1https://www.zukunftsinstitut.de/dossier/megatrend-urbanisierung/ 2https://formnext.mesago.com/frankfurt/de/themen-events/fonmag/fonmag_articles/articles/Timber_greenhouses_and_3D_printing.html 3https://green-hydrogen-esslingen.de/ 4https://www.toyota.de/entdecke-toyota/news/woven-city 5https://www.neom.com/de-de/regions/theline
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