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Wie sieht es mit dem sozialen Wohnungsbau aus? – der Status quo im September 2021

10.09.2021

Lediglich 1,14 Millionen Sozialwohnungen gab es im Jahr 2019 gemäß Statista in Deutschland. 2020 sank deren Zahl noch weiter. Dabei werden Sozialwohnungen dringender gebraucht denn je. Einer Studie des Pestel-Instituts zufolge fehlen gemessen am Wohnbedarf aktuell insgesamt 670.000 Sozialwohnungen – das entspricht etwa 80.000 Wohnungen jährlich. Leider ist die Entwicklung an geförderten Mietwohnungen in den Städten, die wir gemeinsam mit Bulwiengesa für unsere Studie “Gefördertes Wohnen” untersucht haben, rückläufig. Im Durchschnitt nahmen die Sozialwohnungsbestände von 2011 bis 2019 um 21 Prozent ab und werden voraussichtlich weiter zurückgehen. Diese Entwicklung ist von hoher gesamtgesellschaftlicher Relevanz. Schließlich handelt es sich beim Wohnen um ein zentrales Grundbedürfnis.

Wozu sozialer Wohnungsbau?

Zur Zielgruppe des sozialen Wohnungsbaus gehören Menschen mit beschränkten finanziellen Mitteln, beispielsweise Alleinerziehende, Senioren, Menschen mit Behinderung, Erwerbslose und unter Umständen auch Studierende. Laut unserer Studie verfügen im Mittel aller Städte sieben Prozent der Haushalte weniger als 1.000 Euro netto im Monat. Vor allem in Göttingen, Leipzig, Kiel und den ostdeutschen Regionen sind die meisten Geringverdiener ansässig. Aber auch im Norden Deutschlands und Nordrhein-Westfalen ist der Anteil der Geringverdiener überdurchschnittlich hoch, was mit einem großen Bedarf an Sozialwohnungen einhergeht. Ihnen allen muss ein Zugang zu angemessenem Wohnraum ermöglicht werden, weshalb zusätzlich die Bereitstellung von Wohngeld garantiert wird. Dieses wurde 2018 von durchschnittlich 1,5 Prozent der Deutschen bezogen, wobei dessen Höhe im Mittel 174 Euro betrug.

Damit entsprechend geförderte Wohnungen auch von privatwirtschaftlichen Akteuren realisiert werden können, stellen Bund und Länder als Investitionsimpulse Darlehen und Zuschüsse zu Vorzugsbedingungen zur Verfügung. Im Gegenzug verpflichten sich Genossenschaften und Wohnungsunternehmen dazu, die geförderten Wohnungen im Rahmen einer Bindungsfrist ausschließlich an Menschen mit einem Wohnberechtigungsschein (WBS) zu vermieten. Dieser belegt, dass die Mieter eine bestimmte Einkommensgrenze nicht überschreiten. Beantragt wurde der WBS unserer Studie zufolge 2019 im Schnitt von 1,4 Prozent der Haushalte.

Eine bundesweite Vorgabe gibt es für den Erhalt eines WBS nicht. Während die Einkommensgrenze in Berlin und Nordrhein-Westfalen für einen Einpersonenhaushalt bei etwas mehr als 16.800 Euro im Jahr liegt, geben Niedersachsen 17.000 Euro, Hessen 16.351 Euro und Brandenburg 15.600 Euro an.

Auch bei der Bindungsfrist für Genossenschaften und Wohnungsunternehmen gibt es keine einheitliche Regelung – je nach Bundesland variiert die Dauer zwischen zwölf und 40 Jahren. Ist die Frist abgelaufen, werden die vormals geförderten Wohnungen für den freien Markt geöffnet. Eine Ausnahme hiervon ist, wenn der Bauträger das Darlehen früher zurückgezahlt hat. In diesem Fall greift eine Nachwirkungsfrist von zehn Jahren. Hierin liegt das Problem: umso mehr Bindungsfristen auslaufen, desto mehr müsste neu gebaut werden.

Die Fördermittel der Bundesländer

Zuständig für die Gesetzgebung und Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus sind seit 2006 vor allem die Bundesländer. Dementsprechend sind auch die Fördermittel der Länder individuell. In Berlin wird der soziale Wohnungsbau mittels eines zinslosen Darlehens ermöglicht, bei einer Mindesttilgung von einem Prozent und einem Verwaltungskostenbeitrag zwischen 0,3 und 0,6 Prozent. Zusätzlich gibt es Zuschüsse für den Bau barrierefreier und rollstuhlfreundlicher Wohnungen. Die Bindungsdauer beträgt 30 Jahre.

Im Gegensatz dazu beschloss der Landtag in Niedersachsen Ende April dieses Jahrs ein neues Wohnraumfördergesetz. Im Fokus: die Erweiterung der Wohnfläche für Ein- bis Zwei-Personen-Haushalte auf bis zu 60 Quadratmeter Wohnfläche – damit verfolgt das Land das Ziel, den Wohnungsbau qualitativer zu gestalten. Weiterhin sollen bis 2030 40.000 sozial geförderte Wohnungen entstehen Dafür gibt es neben Fördersätzen und Tilgungszuschüssen außerdem eine Anhebung der berücksichtigungsfähigen Gesamtkosten.

Das Bundesland Hessen hat sich zum Ziel gesetzt, 20.000 Neubauwohnungen bis 2024 zu realisieren – insgesamt 2,2 Milliarden Euro sollen dafür mobilisiert werden. Hinzu kommt, dass die Landesregierung beschloss, der Bindungsfrist entgegenzuwirken, indem sie Eigentümern auch nach dem festgeschriebenen Zeitraum Zuschüsse zahlt, damit die Wohnungen weiterhin günstig vermietet werden können. Außerdem: Das Bundesland Hessen hatte bereits 2017 in einer neuen Richtlinie für den Ankauf von Belegungsrechten die Fördersätze angehoben – es zahlt 2,50 Euro beziehungsweise 1,50 pro Quadratmeter Wohnfläche für den Erwerb von Belegungsrechten an Wohnungen, die bisher keiner Bindung unterlagen und für solche, deren Bindung ausläuft. Damit verfolgt Hessen das Ziel, die Investition in sozialen Wohnungsbau für Bauträger profitabler zu machen. Unterdessen stellt Nordrhein-Westfalen Fördermittel in Form von Darlehen, Zuschüssen, einer Übernahme von Bürgschaften und Garantien sowie einer Bereitstellung von verbilligtem Bauland zur Verfügung.

Sozialer Wohnungsbau lohnt sich. Geförderte Wohnungen gehören nicht nur zur modernen Quartiersentwicklung, sondern erhöhen auch die Akzeptanz neuer Bauvorhaben in der Nachbarschaft. Für private Investoren haben sich die Rahmenbedingungen, in geförderte Wohnungen zu investieren ebenfalls durch Förderprogramme und ein geringes Vermietungsrisiko verbessert.

Das Pestel Institut wertet aus

Im Auftrag des Verbändebündnisses “Soziales Wohnen” untersuchte das Pestel Institut in einer Kurzstudie “Bezahlbarer Wohnraum 2021” die Herausforderungen, Potenziale und Belastungen des Markts in Deutschland. Das Ergebnis: Zwischen den Jahren 2018 und 2020 hat die Bundesregierung ihr Wohnungsbauziel um 250.000 Wohnungen verfehlt – ein erheblicher Mangel. Die Studie belegt ebenfalls, dass besonders Senioren vermehrt auf Sozialwohnungen angewiesen sind. Auffällig sei in diesem Zusammenhang, dass die Armutsgefährdungsquote trotz eines stabilen wirtschaftlichen Wachstums bis 2020 auf 18 Prozent gestiegen ist. Dementsprechend errechnet das Pestel Institut einen Nachholbedarf: Bis 2035 müsse die Zahl der Sozialwohnungen auf mindestens zwei Millionen gesteigert werden.